“Kalter Rausch der Bilder”: Die Propagandakompanien der Wehrmacht und die “geistige Mobilmachung”

„Embedded Journalists“ – zivile Kriegsberichterstatter, die in Uniform bestimmten militärischen Einheiten zugewiesen sind – sind kein Phänomen der modernen Kriegsführung im Irak und in Afghanistan. Wenn demnächst wieder eine Reportage über den Zweiten Weltkrieg über ihren Bildschirm flimmert, können sie sich fast sicher sein: sie sehen teilweise Bilder und hören Töne, die durch eine eigene Einheit der Deutschen Wehrmacht produziert wurden, von Journalisten in Uniform im Auftrag des „Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“.

Bundesarchiv, Bild 183-L15659 / CC-BY-SA
Kriegsberichter mit Mikrofon (Bundesarchiv, Bild 183-L15659 / CC-BY-SA)
Das Propagandaministerium sorgte zwar für die Zusammenstellung und Verbreitung des Materials in der berüchtigten „Wochenschau“, in Illustrierten, die der amerikanischen Life nacheiferten, und besonders im Radio. Produziert wurden die Filme und Tonbeiträge aber großteils von einer Abteilung der Wehrmacht: den „Propagandakompanien“.

Auch Henri Nannen war Soldat der PK

Die Personalstärke dieser Propagandatruppe betrug auf ihrem Höchststand 15.000 Mann. Unter den Mitgliedern dieser Truppen befanden sich viele Journalisten und Schriftsteller wie Lothar-Günther Buchheim (Autor von „Das Boot“) und Henri Nannen (Herausgeber von „stern“), die nach dem Krieg zu Berühmtheit gelangten.

Bundesarchiv, Bild 183-B00548 / CC-BY-SA
Chefs der Propagandakompanien der Wehrmacht bei Goebbels; ganz rechts (im Profil) Hasso von Wedel (Bundesarchiv, Bild 183-B00548 / CC-BY-SA)
Die Propagandakompanien entstanden 1936 aus zivilen Reportagetrupps, welche die Manöver der Wehrmacht während der Sommerolympiade 1936 begleiteten. Bereits zu dieser Zeit war im Propagandaministerium klar: für einen kommenden Krieg werden loyale Kriegsberichterstatter benötigt, die Front und Heimat verbinden können.
Noch im Jahr 1936 wurde bei den Herbstmanövern ein Versuch mit zivilen Propagandatruppen, die durch das „Reichsverteidigungsreferat“ aufgestellt wurden, unternommen. Sehr bald kam es in der Folge zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Wehrmachtführung und dem Propagandaministerium um die Frage des Oberbefehls über die Kriegsberichterstattung im Falle eines Krieges. Obwohl es Goebbels anfangs noch gelang, sich gegen die Wehrmachtführung durchzusetzen, führten unterschiedliche Auffassungen über das Wesen der Kriegsberichterstattung und der Frontpropaganda bald zu einer Klärung der Kompetenzen verschiedenen Abkommen zwischen den Institutionen, die von Goebbels als Vertreter des Propagandaministeriums und General Keitel als Vertreter der Wehrmacht ausgearbeitet wurden. In diesen Abkommen wurde die geistige Betreuung, die aktive „Kampfpropaganda“ sowie die Kriegsberichterstattung in den Zuständigkeitsbereich der Wehrmacht übertragen. Das Reichskriegsministerium setzte sich dabei auch in der Frage der Organisation der zukünftigen Propagandatruppen durch, die eine eigene Truppengattung der Wehrmacht stellen sollten.

Als im Verlauf des Jahres 1938 ein Krieg mit der Tschechoslowakei immer wahrscheinlicher wurde, kam es im Zuge der allgemeinen Kriegsvorbereitung auch zum Aufbau der ersten Propagandaeinheiten. Die Aufstellung der ersten vier Propagandakompanien erfolgte zum 16. September 1938. Der erste Einsatz erfolgte nur wenige Tage später vom 1. bis zum 10. Oktober 1938 bei der Besetzung des Sudetenlandes. Die Bilder des Einmarsches deutscher Soldaten – sie stammen zu einem großen Teil aus Beständen der Propagandakompanien.

Bundesarchiv, Bild 101I-030-0780-02 / Kintscher / CC-BY-SA
PK-Filmberichter mit Filmkamera (Bundesarchiv, Bild 101I-030-0780-02 / Kintscher / CC-BY-SA)
Die Auswahl der Journalisten übernahm das Propagandaministerium, die militärische Ausbildung die Wehrmacht. Die neuen Mitglieder der Propagandakompanien sollten tapfere Soldaten werden. „Der Kriegsberichter von heute“, so heißt es in einem Sammelband „ist Soldat, ausgebildeter Soldat, der mit Pistole, Handgranate, Gewehr, MG genau so umzugehen versteht wie mit Schreibmaschine, Fotoapparat, Filmkamera und Rundfunkgerät.“ Aber er sollte kein Journalist in Uniform sein – und das unterscheidet den damaligen Anspruch an das Selbstverständnis von heutigen „eingebetteten Journalisten“:

„Er ist Soldat, der wie alle seine Kameraden keine Beziehungen zu seiner ‚zivilen Stellung‘, seiner Zeitung, mehr hat, sondern nur noch Teil seiner neuen Gemeinschaft, der Wehrmacht, ist. Er ist Kämpfer, nicht ‚Journalist‘, Soldat, nicht Schreiber oder Photograph“.

Die Reporter waren in erster Linie Soldaten, ihre Aufgabe als Journalisten wurde als zweitrangig definiert. Gefordert wurde allerdings ein hoher Grad an Glaubwürdigkeit, was die „zwölf Gebote für Filmberichterstatter beweisen, von denen eine Regel lautet: „Du sollst gestellte Kampfaufnahmen vermeiden, denn sie wirken unecht und gefährden das Ansehen der Filmberichter. Auch wenn dies Teil des angeblichen Ehrenkodex war, waren gestellte Szenen zahlreich in Wochenschauen und illustrierten Zeitschriften zu finden, wie nicht zuletzt die Inszenierung des Kriegsbeginns, durch den „Überfall auf den Sender Gleiwitz eindrucksvoll zeigt. Der Krieg konnte aber durch die mediale Vermittlung nur „erfahrbar gemacht werden, wenn die Ästhetik der Darstellung die Authentizität der Aufnahme bzw. des Berichts in den Mittelpunkt rückte. Die vermeintliche Authentizität der Aufnahmen und Reportagen sollte jedoch das Markenzeichen der PK werden; die Opfer, die durch diese Nähe zum Kriegsgeschehen in den PK verzeichnet wurden, wurden dabei als ein Qualitätsmerkmal inszeniert:

„Eine gemessen an den Gesamtverlusten der fechtenden Truppe hohe Zahl von Toten und Verwundeten, ein reicher Anteil an Kriegsauszeichnungen beweisen, daß sie [die Mitglieder der PK] alle wirklich tapfere Soldaten sind. Diese Männer haben Taten verübt, die wert sind, in die Kriegsgeschichte einzugehen.”

Schrieb das OKW in der Zeitschrift “Die Wehrmacht”.

Aussagen wie diese sollten auch dazu beitragen, die Akzeptanz der PK innerhalb der Wehrmacht zu erhöhen. Die Risikobereitschaft vieler PK-Soldaten dürfte dabei auf diesen Zusammenhang zurückzuführen sein, wie eine Anweisung Goebbels’ an die Presse vom 25. April 1940 nahe legt:

„Der Minister teilt mit, dass auf Wunsch des Führers die Propagandakompanien und ihre Leistungen mehr als bisher herausgestellt werden sollen. Es soll betont werden, dass der Soldat, der mit der Kamera diene, genau-so viel wert sei, wie beispielsweise ein MG-Schütze.”

Aber nicht nur die Akzeptanz durch die kämpfenden Truppen war ein Auslöser für die teilweise riskanten Einsätze der PK. Von einem „kalte[n] Rausch und einer „brutal[n] Neugier weiß beispielsweise der ehemalige PK-Soldat Walter Henisch zu berichten. Die Vorgaben für die Aufnahmen und Berichte waren klar: Das Erlebnis des Publikums dabei zu sein, teilzunehmen am Welt- und Kriegsgeschehen, sollte die Berichte dominieren:

„Du sollst immer daran denken, dass durch Deinen persönlichen Einsatz Millionen an dem Welt-geschehen teilnehmen, und dass Du den gegenwärtigen und kommenden Geschlechtern eine wahrheitsgetreue und lebendige Darstellung des gigantischen Ringens um Deutschlands Größe durch Deine Arbeit geben musst.”

hieß es dazu in den “Zwölf Geboten für Filmberichterstatter”. Die unmittelbare Teilhabe des Zuschauers war das herausragende Qualitätsmerkmal der durch die PK hergestellten Kriegsberichte – der Zuschauer oder Zuhörer sollte das Gefühl haben dabei zu sein.

Die Modellierung des Krieges

Die Motive der Berichterstattung folgten wiederkehrenden, stereotypen Mustern, die dem ideologischen Ordnungssystem der Nationalsozialisten entstammten. Grob ver-allgemeinert lassen sich die (Bild-)Ikonen, nach Rolf Sachsse, in drei Bereiche zusammenfassen: „Krieg als Abenteuer, Krieg als Spiel, Krieg als männlich”. Gerhard Paul differenziert diese Muster in Anlehnung an Sachsse in sieben wiederkehrende Motive, von denen in Abgrenzung von Sachsse in erster Linie die Stilisierung von – auch verbalen – Ordnungs- und Hygienebildern, welche sich in der Darstellung des „ordentlichen, präzisen und ‚hygienischen‘ Krieges äußerten und somit auch „visuell den Mythos von der ‚sauberen‘ Wehrmacht förderten. Das fundamentale Tabu, keine deutschen Opfer zu zeigen, stützte diese Wahrnehmung. Diese Motive verdichteten sich wiederum auf der Grundlage der NS-Ideologie zu einer Wahrnehmung des Krieges als notwendigem Verteidigungskampf. Richtige Kriegsbegeisterung wollte in der deutschen Bevölkerung trotz der anfänglichen militärischen Erfolge nämlich nicht so recht aufkommen. Wirklich informativen Charakter hatten ohnehin die wenigsten PK-Berichte, denn die Militärzensur verhinderte, dass allzu viele Details enthalten waren: „Ganze Schlachten finden im Lande Nirgendwo statt, wo die Deutschen über Raum und Zeit Gebieten […].” analysierte der berühmte Filmkritiker Siegfried Kracauer die Ästhetik der NS-Wochenschauen.

Die Motive der Kriegsberichterstattung veränderten sich mit dem Angriff auf die Sowjetunion nochmals. Während anfänglich vor allem die Effektivität der Wehrmacht und die aus dieser Effektivität resultierenden Erfolge (oft anhand von Karten und Pfeilen, die die Stoßrichtung der Kampfverbände symbolisierten) gezeigt wurden, wurde dieses Bild mit dem Beginn des „Unternehmens Barbarossa” kontrapublizistisch unterfüttert. Schlecht ausgerüstete sowjetische Kriegsgefangene wurden als „Horden” betitelt, in Großaufnahmen gezeigte gefangene sowjetische Soldaten „jüdische Bolschewisten” genannt. Die Soldaten des Gegners waren fast immer unrasiert, schlecht gekleidet und dreckig. In der ersten Wochenschau nach Beginn der Barbarossa-Offensive werden „die ersten sowjetischen Gefangenen” gezeigt: „Gefangene Bolschewisten: statt Soldaten ein wilder, verkommener Haufen.” In einer Wochenschau vom Juli 1941 wird eine Gruppe Kriegsgefangener in Nahaufnahmen gezeigt und kommentiert: „Sowjettypen, Plünderer, Marodeure, in der Hauptsache Juden.” Oftmals erhielten die Soldaten des Gegners animalische Zuschreibungen, die an jene der Hetzschrift „Der Untermensch” erinnern und dementsprechend auf die Bevölkerung gewirkt haben müssen:

„Wie übereinstimmend berichtet wird, sei man über das Aussehen dieser Gefangenen geradezu entsetzt gewesen. Man habe gelegentlich sogar bezweifelt, dass diese ‚Wilden, ‚Untermenschen‘, ‚Zuchthäusler‘ usw. Angehörige der regulären sowjetrussischen Armee seien. […] Frauen hätten mit Entsetzen darauf hin-gewiesen, dass ihre Männer gegen derartige ‚Tiere‘, denen jede Grausamkeit zuzutrauen sei, kämpfen müssten.”

heißt es dazu in einem Bericht des Sicherheitsdienstes der SS, dem Inlandsgeheimdienst der Nationalsozialisten.

Die Bilder des Raumes verstärken diese Ikonen vermeintlicher zivilisatorischer Überlegenheit. Eine ganze Reihe im Schlamm stecken gebliebene LKW werden im selben Bericht vom Juli 1941 von Pionieren befreit, dazu tönt der Kommentar aus dem Off: „Auch das sind sowjetrussische Straßen.”

Wende von Stalingrad

Die Wahrnehmung und Auffassung der Propaganda änderte sich aber spätestens nach der Wende von Stalingrad. Die vermeintliche Authentizität der Frontberichte der PK wurde zunehmend infrage gestellt. Die angeblich „elastische Taktik” eines Frontverlaufs, der „[…] trotz der Aufgabe von Abschnitten und Orten dem Gegner die Erreichung seines erstrebten Endzieles, den Durchbruch in der Tiefe des Raumes, verwehrt […]”, erschien ob der immer weiter zurückdrängenden Front als absolut verlogen. In einem SD-Bericht vom 29. November 1943 heißt es dazu beispielsweise:

„[…] die in den PK-Berichten immer wiederkehrende Herausstellung erzielter Abwehrerfolge widerspreche häufig der insgesamt rückläufigen Bewegung unserer Linien an den zahlreichen Schwerpunkten der Schlacht. Im Hinblick auf die Gesamtlage im Osten habe man daher an solchen in den PK-Berichten geschilderten Erfolgen keine rechte Freude.”

Die Reaktion der NS-Propaganda auf die sich abzeichnende Niederlage, war die Pro-klamation des „Totalen Krieges”. Die Propagandamedien konnten spätestens ab 1943 kaum mehr als den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu stärken versuchen und auf den Topos eines vagen Endsieges zurückgreifen

Die NS-Kriegspropaganda war weit weniger effektiv, als der apologetische „Propagandamythos” annehmen lässt. Solange die Wehrmacht erfolgreich war, brauchte die Kriegspropaganda keine weiteren Impulse – die Erfolge waren eindrucksvoll genug. Doch die Propaganda war auf die Siegesmeldungen angewiesen. Beim Stocken, Einbrechen und Zurückdrängen der Front schafften es die Propagandamedien nicht, die Bevölkerung von ihrer Reliabilität zu überzeugen, wenn sie diese Niederlagen verheimlichten oder her. Statt Dokumentationen wurden in den Kinos zunehmend Unterhaltungsfilme gezeigt, die Druck-Erzeugnisse kamen bald ganz zum Erliegen. Das Radio übernahm zwar weiterhin die Aufgabe der Informationsverbreitung, doch das Abhören von Feindsendern steigerte sich in den letzten Kriegsmonaten extrem. Die vage Versprechung eines „Endsieges” bei genug Durchhaltewillen wurde immer zweifelhafter.

Später Triumph der Bilder?

Und doch gibt es einen späten „Triumph der Bilder” der NS-Propaganda, indem seit Jahrzehnten immer wieder dieselben visuellen Darstellungen, basierend auf den durch die PK erstellten Materialien, reproduziert werden und so ein festes Geschichtsbild etablieren. Erst mit der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944” des Hamburger Instituts für Sozialforschung geriet dieses Geschichts-bild, das durch die ästhetische Suggestion auch für die Imagination einer „sauberen Wehrmacht” verantwortlich war, ins Wanken. Nur ein anderer Umgang mit historischen Bild- und Tonquellen, Mut zu einer multiperspektivischen Erzählweise, die Bilder in ihre jeweilige Entstehungsgeschichte einbettet, können auf lange Sicht mit der Ikonografie der PK und der Nationalsozialistischen Propaganda brechen

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